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2015, 16. Turmstipendium /
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Text von Dr. des Anna Storm, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Von der Heydt-Museum Wuppertal zu dem Katalog „Kunstausstellung Wuppertal 2019”, 2019


Sylvie Hauptvogel

Sylvie Hauptvogels künstlerisches Interesse gilt Objekten des täglichen Gebrauchs. Ihre textilen Skulpturen bestehen aus Unterwäsche, die sie durch geschickte Eingriffe verändert und die so ihre Funktion verlieren. Ähnlich wie in Arbeiten von Rosemarie Trockel oder Sarah Lucas wird das Textile dabei zu einem assoziativen Bedeutungsträger, der unterschiedliche Aspekte wie Hygiene, Fetisch oder Geschlechteridentitäten verhandelt.

Die zwei Objekte der Arbeit 2 Dreierknüpfmodule bestehen jeweils aus drei zusammengenähten weißen Unterhosen. Dadurch, dass Hauptvogel die Unterhosen je am Saum miteinander verbindet, entsteht eine symmetrische dreigliedrige Form, deren Oberstes und Unterstes – die Beinöffnungen – gleich ist. Ohne Füllmaterial, welches die Künstlerin für andere textile Arbeiten durchaus verwendet und diesen so eine körperliche Form verleiht, erscheinen die Dreierknüpfmodule seltsam leblos. Schlaff hängen sie an der Wand. Aus den archetypischen Feinrippunterhosen wird eine textile Chiffre, die nicht mehr vestimentär, wohl aber assoziativ funktioniert. Die Arbeit entstand während eines zweiwöchigen Symposiums in einer ehemaligen Klinik, die heute als Kunstlabor genutzt wird, und greift diesen Ort subtil auf: Die Dreierknüpfmodule erinnern an Zwangsjacken und verweisen so zugleich, durch die Fixierung des Körpers, auf die erotische Welt des Fetisch.

Ebenfalls aus Unterhosen gefertigt ist das zweite Objektpaar mit dem Titel orange Objekte. Alte orange Frotteeunterhosen sind dazu aufgetrennt und neu zusammengesetzt worden. Mit der jeweils runden Öffnung in der Mitte erscheinen sie wie Schulterstücke, die über den Kopf gezogen werden können. Unterwäsche bleibt in der Regel unsichtbar, sie changiert zwischen Funktionalität und Erotik, zwischen schlichter Zweckmäßigkeit und sinnlicher Verführung. Besonders für den weiblichen Körper kann sie eine Form von Optimierung und gar Fremdkontrolle darstellen, eine Anpassung an gesellschaftlich geprägte und medial vermittelte Vorstellungen von Weiblichkeit. Sylvie Hauptvogel, die Pharmazie studiert hat, rückt in ihren Arbeiten auch den Fokus auf Hygiene und Reinigung. Mit der Thematisierung von Bekleidung, ob funktional oder ästhetisch, stellt sie die Reflexion von Körperlichkeit und Geschlecht sowie von geschlechtsspezifischen Rollenmustern (Waschen ist in der Regel weiblich konnotiert) ins Zentrum und verleiht den teilweise infantil wirkenden Objekten eine kritische, gar feministische Bedeutung.

Anna Storm

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